Tankstellenchips : ein Heldenepos

Michaelis, Antonia, 2018
Bücherei Internetcafé Korneuburg
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Medienart Buch
ISBN 978-3-7891-0918-8
Verfasser Michaelis, Antonia Wikipedia
Schlagworte Kinderheim, Verfolgung, Iran, Flughafen, Deutschland, Landleben, Sommer, Abschiebung, Verfolgungsjagd, Überfall, Roadtrip, Kühe, Roadnovel
Verlag Oetinger
Ort Hamburg
Jahr 2018
Umfang 362 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Antonia Michaelis
Annotation Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/);
Autor: Christina Stolz;
Roadtrip, ein ungewöhnliches Mädchen und jede Menge Abenteuer nein, hier ist nicht die Rede von Wolfgang Herrndorfs Jugendroman Tschick, sondern von Tankstellenchips. Ein Heldenepos von Antonia Michaelis. Doch auch wenn oder vielleicht gerade weil sich die Autorin derselben Ingredienzien bedient, will die Geschichte nicht so recht in Schwung kommen. Aber der Reihe nach. Der 18-jährige Ich-Erzähler Shayan ist aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet, wo er in einer stürmischen Nacht auf der Insel Usedom auf den pfiffigen Davey trifft, einen achtjährigen Jungen mit Sprachfehler, der aus dem Kinderheim ausgerissen ist. Sie werden Zeugen eines Mordes und sind von da an mit Heißluftballon, auf Pferden oder mit Paraglidern auf der Flucht vor Verbrechern und Polizei. Shayan hat in seinem Spind im Flüchtlingsheim einen ungeöffneten Brief von der Ausländerbehörde liegengelassen, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Abschiebebescheid, und will nach Köln zu einem Anwalt. Dort erhofft er sich vergeblich, wie den Lesenden bald klar wird Hilfe.
Auf ihrer etappenreichen Reise begegnen die beiden verschiedenen Menschen, lernen unterschiedliche Sichtweisen kennen und bewältigen (immer mit demselben Trick!) brenzlige Situationen. Nach und nach erfährt man dann auch den Grund für Shayans Flucht aus dem Iran. Zwar weigert der sich stets, die Heldengeschichte zu erzählen, die die Deutschen von einem Flüchtling erwarten, ist aber tatsächlich ein Held, der sein Leben für die Freiheit in seinem Land aufs Spiel gesetzt hat. Und erweist sich als solcher, wenn er Frauen und Mädchen auf seiner Reise genauso beschützt wie den kleinen Davey. So überrascht auch das Happy End keineswegs.
Zweifellos muss die Flüchtlingsthematik Eingang in die Kinder- und Jugendliteratur finden, insofern ist der Autorin das Bemühen darum anzurechnen. Doch einerseits präsentiert Antonia Michaelis mit ihrem Ich-Erzähler Shayan einen eher untypischen Flüchtling (er kommt aus dem Iran aus wohlhabender muslimischer Familie, ist selbst zum Christentum übergetreten und zeigt sich insgesamt höchst anpassungswillig an die deutsche Kultur), andererseits bekommt man diese Figur auch schwer zu fassen. Der 18-Jährige mutet seltsam naiv an und so wird ein tragisches Thema über weite Strecken zum Klamauk. Besser gezeichnet wird da schon der kleine Davey, ein für sein Alter durchaus ausgekochter Bursche, dessen Sprachfehler Shayans holprigem Deutsch in keiner Weise nachsteht. Interessant wird es dann, wenn die Autorin ihren Ich-Erzähler als Ausländer über Deutschland und die deutsche Sprache den Hang zu Verbotsschildern, die Vorliebe für Klodeckelüberzüge oder das Gendern in der Sprache reflektieren lässt. So hat Shayan gelernt, dass die Nachsilbe -in für Weibliches steht, ein weibliches Pferd ist demnach bei ihm eine Pferdin, eine Kuh eine Kuhin usw. Leider treibt die Autorin dieses Spiel mit der Sprache (wie auch andere) durch ständige Wiederholung so weit, dass der erheiternde Anfangseffekt verloren geht.
Tankstellenchips ist ein ambitioniertes Unterfangen, dessen Ton sich zwischen Ernsthaftigkeit und Klamauk leider nicht einpendelt und so dem Anspruch des Themas nicht gerecht wird.

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Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Cornelia Gstöttinger;
Ein Student aus dem Iran und ein aus dem Heim getürmter kleiner Junge auf einem außergewöhnlichen Roadtrip durch Deutschland. (ab 14) (JE)
Blöd gelaufen: Da will er helfen, als er Zeuge eines bewaffneten Überfalls wird, und ist plötzlich selbst ein Tatverdächtiger auf der Flucht. Sayan, Student aus dem Iran, und, zugegeben, ein wenig anfällig für Fettnäpfchen. Wenn auch in seinem Leben vieles nicht nach Plan verläuft, das Herz hat der Ich-Erzähler auf dem rechten Fleck. So zögert der Flüchtling, der einen Abschiebebescheid erhalten hat, nicht lange und nimmt sich des kleinen Jungen an, der aus dem Heim getürmt ist und fortan nicht mehr von seiner Seite weicht.
Auch wenn die beiden auf ihrem Roadtrip nicht ganz so charismatisch sind, wie sich das Sayan in seinen Tagträumen vorstellt - die Herzen der Leser_innen erobern die zwei sympathischen Antihelden im Sturm. Auf ihrer Reise quer durch Deutschland erleben sie die kuriosesten Dinge, manövrieren sich von einer brenzligen Situation in die nächste und zeigen großen Einfallsreichtum beim Erfinden fantasievoller Ausreden, um Mitfahrgelegenheiten und Jobs aufzutun. Bei aller schelmenhaften Hochstapelei enthält das Buch aber auch Sarkasmus und tiefergehende Kritik an der Gesellschaft und Flüchtlingspolitik. Außerdem erfährt man, warum Sayan aus dem Iran geflüchtet ist und wie es dort um Meinungsfreiheit und die Einhaltung der Menschenrechte steht. Aus dem Clash of Cultures ergibt sich ein eigener Witz, so wird es köstlich komisch, wenn Sayan so manche Gepflogenheit der Deutschen, die er nicht versteht, aufs Korn nimmt.
Mühelos hält die produktive deutsche Autorin den Spannungsbogen, Skurriles steht neben Ernstem: Das liebenswerte ungleiche Gespann flüchtet vor der Polizei, wird von drei verrückten Verbrechern verfolgt, macht Bekanntschaft mit eigensinnigen deutschen Kuhherden und weniger sanften Tigern. Und immer wieder taucht dieses Mädchen mit den pinken Haaren auf, das Sayan verdeutlicht, dass ein Leben voller Freiheiten in einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht automatisch glücklich macht.
Eine rasante Roadnovel voller Humor, Sprachwitz und Situationskomik, die auch Jungs gefallen könnte. Allen Büchereien sehr zu empfehlen!